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Beklagen wir die Verhältnisse oder unser Verhalten?

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Immer mal wieder tauchen solche Berichte, wie jetzt am vergangenen Samstag, in unserem Tageblatt auf. Berichtet wird von einem bestimmten Platz, der sich immer mehr zum Brennpunkt von Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch und Straftaten entwickelt. Er wird sogar zum Versteck von Minderjährigen, die vor ihren Konflikten mit den Eltern, Lehrern und/oder Polizei davon laufen. Es wird von einem 13 jährigen Mädchen berichtet das durch Umzug zu uns in den Landkreis gekommen ist. Sie kommt zwangsläufig mit der "Szene" an diesem Ort in Berührung, weil es der örtliche Busbahnhof ist. Dieser Ort ist einschlägig bekannt und wird von der örtlichen Polizei immer mal wieder frequentiert. Dies ist nicht als Vorwurf an die Polizei zu werten. Ich bin mir darüber bewusst, dass die Personaldecke sehr dünn ist. Auch das sollte ein Brennpunkt in der Öffentlichkeit sein, dass wir uns als Gesellschaft eine unterbesetzte Polizei leisten.

Die 13 Jährige findet Kontakte in dieser Szene und verschließt sich immer mehr ihrer vertrauten Umgebung. Zu Hause spricht sie kaum noch, wo sie bislang immer offen umgegangen ist. Sie fängt an die Schule zu schwänzen und findet es nicht schlimm. Ihre Mutter, zu der sie immer ein gutes Verhältnis hatte, erreicht sie nicht mehr. Wir haben landläufig einer schnelle Erklärung für dieses Verhalten. "Sie ist halt in schlechte Gesellschaft gekommen". Aber ist diese "schlechte Gesellschaft" nicht ein Teil unserer Gesellschaft? Ja haben wir diesen Teil unserer Gesellschaft nicht erst zu dem gemacht, was er heute ist? 

Ich höre schon die anderen Meinungen. Für das Verhalten kann doch die Gesellschaft nichts, dafür ist doch jeder selbst Verantwortlich. Habe ich das nicht schon einmal gehört? Sind das nicht genau die Argumente, die die Alkoholindustrie anbringt, wenn es für Sie mal wieder eng wird. Wenn mutige Menschen an den Verhältnissen tatsächlich etwas verändern wollen. Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler ist ein solch mutiger Mensch. Als Drogenbeauftragte des deutschen Bundestages hat Sie Druck gemacht und hat gewaltigen Gegendruck hinnehmen müssen. Wenn man Medienberichten glauben schenken darf, ist sie sogar bedroht worden. Die Alkoholindustrie verschiebt das Problem auf das Individuum. Der Alkohol ist doch nicht per se schlecht. Kein Mensch wird gezwungen zu konsumieren. Richtig aber das ist nur die eine Seite der Alkoholflasche (Medaille). Die andere Seite verführt die 13 Jährige aus unseren Ort zum Konsum von Alkohol und Drogen. Halbwahrheiten und Mythen werden hervorgeholt, wenn es darum geht nichts zu verändern und den eigenen Konsum zu rechtfertigen. Vielleicht überlegt sich jeder, der noch konsumiert, wie er seinen eigenen Konsum rechtfertigt und hinterfragt diese Argumente die er zur Rechtfertigung heranzieht. Denn der Mythos, dass ein "Glässchen Rotwein" gut fürs Herz ist, hält sich ja schon Jahrzehnte aber ist er deshalb auch richtig? Wenn die Individualisierung des Alkoholkonsums nicht funktioniert, holt die Alkoholindustrie ihre Wirksamste Waffe hervor und zieht die Arbeitslosenkarte. Dies droht dann jedem, wenn wirklich etwas an den Verhältnissen verändert wird. Dies hat in der Vergangenheit immer gewirkt. Denn die Alkoholindustrie kennt die Mechanismen ganz genau. Sie weiß welche Maßnahmen aus präventiver Sichtweise wirken würden und diese versucht sie mit allen Mitteln zu Verhindern.

 

Von welchen Verhältnissen sprechen wir denn hier genau?

- Alkohol ist zu preiswert

- Wir leisten uns ein Jugendschutzgesetz, welches Jugendlichen erlaubt ab 14 Jahren Alkohol in der Öffentlichkeit zu konsumieren wenn ein Erziehungsberechtigter zugegen ist.

- Alkohol ist an jeder Ecke erhältlich und das auch noch fast 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche

- Für Alkohol darf immer noch in allen Medien geworben werden.

 

Maßnahmen: 

- Verteuern

- Altersgrenze für den Konsum heraufsetzen

- Verfügbarkeit einschränken

- ein Werbeverbot einführen

 

Jede Industrie hat nur eine Aufgabe, Profit zu erwirtschaften. Dieses Ziel wird sie unter allen Umständen verteidigen, weil sie ihren Aktionären gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. Mein Motto lautet:

 

Jeden Vorteil erkaufe ich mir mit mindestens einem Nachteil!

Wenn der Vorteil nun darin liegt, mit der Produktion von alkoholischen Getränken Geld zu verdienen und Profit zu erwirtschaften, liegt der Nachteil darin, dass Alkohol abhängig machen kann und unsere Gesellschaft daran erkrankt. Darum versucht die Alkoholindustrie die Nachteile auf das Verhalten des Einzelnen abzuwälzen. 2017 hat die Alkoholindustrie 619 Millionen Euro in Deutschland für Werbung ausgegeben. Jeder kennt sie und jeder kann auch ein bestimmtes Gefühl mit den Gesehenen und/oder Gehörtem verbinden. Wer kennt nicht das Segelschiff von Becks und was die Werbung bewusst oder unbewusst bei ihm auslöst. Bei mir löst es immer wieder ein Gefühl von Freiheit, Unbeschwertheit, Stärke, Spaß, Grenzenlosigkeit... aus. Seit ich denken kann begegne ich der Alkoholwerbung. Ich bin frühzeitig konditioniert worden. Wir werden ganz bewusst auf der persönlichen Ebene von der Werbung angesprochen und auf dieser Ebene will die Alkoholindustrie auch die Verantwortung sehen. Also bei jedem Einzelnen. An den Verhältnissen, wie ich sie weiter oben aufgeführt habe zu rütteln, ist ein Sakrileg gegen den Alkohol. Ein Kind kann sich der Werbung faktisch nicht entziehen. Sie ist allgegenwärtig und zu den besten Sendezeiten präsent. Wir bekommen die Slogans um die Ohren geschlagen und ins Gehirn eingehämmert. Auch wenn wir nicht bewusst hinsehen oder das Radio nur zur Berieselung dient, nehmen wir das Gesagte auf. Das Gleiche spiegelt unsere Gesellschaft wieder. Wir sind eine Alkohol konsumierende Gesellschaft und wir wollen es uns auch leisten. 

Vor zwei Jahren bin ich mal mit der Frage konfrontiert worden. "Wer sagt das Alkohol Spaß macht?" Seit dem taucht die Frage in Verbindung mit der Alkoholwerbung immer wieder bei mir auf. Selbst unsere Kleinsten wissen mit dem Segelschiff von Becks etwas anzufangen. Sie wissen schon, welche Gefühle damit verbunden werden. Sie bekommen ohne das sie schon einmal konsumiert hätten mit, dass Alkohol etwas "Positives" sein muss. Die Werbung sagt was gut ist, nicht der gesunde Menschenverstand. Bei jedem Geburtstag oder Fest zeigt die Gesellschaft, dass der Alkohol dazu gehört. Es wird nicht mehr in Frage gestellt sondern das Gefühl vermittelt, es ist "Normal" Alkohol zu konsumieren. Ich begebe mich doch schon in eine Rechtfertigungsposition, wenn ich auf einer Feier den Konsum von Alkohol ablehne. Da wird dann gerade noch "ich bin mit dem Auto da" akzeptiert.

Wir feiern Sportgrößen wie Axel Schulz oder Spitzenpolitiker wie Frau Dr. Renate Sommer sich vor den Karren der Alkohollobby spannen lassen. Axel Schulz nimmt gern das "Ehrenamt" des Botschafter des Bieres für Brandenburg ein. Frau Dr. Renate Sommer war Vizepräsidentin des Bierclubs der Abgeordneten des Europäischen Parlamentes als sie zur Botschafterin des Bieres in Deutschland ausgerufen wurde. Bierclub im Europäischen Parlament? Na das nenne ich mal einen "gelungene" Lobbyarbeit der Alkoholindustrie und die Bezeichnung Ehrenamt bekommt für mich da auch noch einmal ein ganz anderes Gesicht. Dort hat die Alkoholindustrie Einfluss bis in die Höchsten politischen Gremien, während wir weiterhin den viel zu frühen Einstieg unserer Jugend in den Alkoholkonsum beklagen. So lange kein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet, werden wir uns über die "Verhältnisse" wie an unserem Busbahnhof aufregen. Junge Menschen berufen Größen aus dem öffentlichen Leben zu ihren Vorbildern und brauchen Vorbilder für sich zur Orientierung. Die ersten Vorbilder sind in den eigenen Familien. Sind wir bereit unseren eigenen Alkoholkonsum (vor den Kindern) einzuschränken? Wenn da die Anfänge gelegt werden, beklagen wir da nicht letztendlich unser eigenes Verhalten, die mit zu den späteren Verhältnissen an unseren "Busbahnhöfen" beitragen? Bedingt durch zu geringe Entlohnung sind viele Familien darauf angewiesen, dass beide Elternteile zum Familienunterhalt beitragen. Die Kinder zahlen den Preis. 

Also, was beklagen wir tatsächlich? Die Verhältnisse, wie sie sich überall darstellen oder nicht auch tatsächlich unser eigenes Verhalten?

Ich möchte alle Eltern ermutigen, die solche Verhältnisse nicht mehr hinnehmen möchten, fordern sie ein Suchtpräventionskonzept an den Schulen wo es noch keines gibt oder nicht gelebt wird. Nehmen Sie Ihre Volksvertreter in die Verantwortung und fordern Sie die 4 Maßnahmen die wirken. Schreiben Sie an Ihre gewählten Vertreter, endlich die Maßnahmen zu ergreifen, die unsere Kinder und Jugendlichen schützen. Nehmen Sie die Bürgerstunden wahr und laufen sie den Abgeordneten von Land und Bund die Türen ein und verleihen Sie Ihrem Unmut eine Stimme. Wir können nicht nur immer die Auswirkungen beklagen, sonder werden Sie aktiv und erinnern Sie die Abgeordneten an Ihre Pflicht.

Als Guttempler setze ich mich dafür ein, das sich an unseren Verhältnissen etwas verändert. Machen wir unsere Kinder stark und statten wir sie mit Lebenskompetenzen aus, die sie widerstandsfähiger gegen Verführungen jeglicher Art machen. Sei es gegen Gewalt, Rassismus, Ausgrenzung, Sexismus, Frauenfeindlichkeit oder gegen Suchtmittel. Ich habe an der Schule, an der ich arbeite eine Schulung organisiert, die die Lehrkräfte befähigt in ihren Schüler Lebenskompetenzen zu wecken und/oder vorhandene auszubauen und zu stärken. Wenn diese Maßnahmen auch noch in jeden Unterricht einbaubar sind und die Arbeit der Lehrkräfte mittelfristig erleichtern, dann finden sie auch im Unterricht Anwendung. Diese Schulungen gibt es tatsächlich. Sie sind an Hand von wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt worden und werden auch immer wieder evaluiert. Wir an der Schule haben uns für Lions-Quest "Erwachsen handeln" entschieden. Da ich an einer Berufsbildenden Schule arbeite (ich bin kein Lehrer) wurde es "Erwachsen handeln" weil dieses Konzept auf den Sekundarbereich II ausgerichtet ist. Für den Sekundarbereich I gibt auch eines "Erwachsen werden". Auch für die Grundschulen gibt es etwas, z.B. "Klasse 2000".

Auch hierfür möchte ich ermuntern. Fordern sie in Ihren Kreisen, Städten und Kreisfreien Städten, durchgehende Präventionskonzepte von der Grundschule bis zum Abitur und Berufsabschluss, durch diese unsere Kinder mit Lebenskompetenzen ausgestattet und in Ihrer Persönlichkeit gestärkt werden.

Die 10 Lebenskompetenzen:

01. Selbstwahrnehmung, die sich auf das Erkennen der eigenen Person, des eigenen Charakters sowie auf eigene Stärken und Schwächen, Wünsche und Abneigungen bezieht.

02. Empathie als die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen.

03. Kreatives Denken, das es ermöglicht, adäquate Entscheidungen zu treffen sowie Probleme konstruktiv zu lösen.

04. Kritisches Denken als die Fertigkeit, Informationen und Erfahrungen objektiv zu analysieren.

05. Entscheidungen zu treffen als die Fähigkeit, die dazu beiträgt, konstruktiv mit Entscheidungen im Alltag umzugehen.

06. Problemlösefertigkeit, um Schwierigkeiten und Konflikte im Alltag konstruktiv anzugehen.

07. Kommunikative Kompetenz, die dazu beiträgt, sich kultur- und situationsgemäß sowohl verbal als auch nonverbal auszudrücken.

08. Interpersonale Beziehungsfertigkeiten, die dazu befähigen, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten.

09. Gefühlsbewältigung als die Fertigkeit, sich der eigenen Gefühle und der Gefühle anderer bewusst zu werden, angemessen mit Gefühlen umzugehen sowie zu erkennen, wie Gefühle Verhalten beeinflussen.

10. Die Fähigkeit der Stressbewältigung, um einerseits Ursachen und Auswirkungen von Stress im Alltag zu erkennen und andererseits stressreduzierende Verhaltensweisen zu erlernen

Ich möchte dazu aufrufen, nicht nur die Verhältnisse oder gar sein eigenes Verhalten zu beklagen, sondern ich fordere jeden, der diese "Brennpunkte" von Gewallt, Drogen- und Alkoholkonsum nicht in seiner Umgebung haben will aufzustehen und etwas zu verändern. Jeder kann damit anfangen, sein eigenes Verhalten zu ändern und darüber hinaus die Gesellschaft und Politik wachzurütteln, damit sich etwas verändern. Fordern wir echte Konsequenzen, die die Alkohollobby entmachten. 

 

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